Beantwortet: Gemeinsamer Offener Brief an OB Burchardt: NEIN ZU WEITEREN BAUMFÄLLUNGEN!

Hier der Wortlaut des Briefes im Original

OFFENER BRIEF von FRIDAYS FOR FUTURE KONSTANZ, BUND und Bürgerpark Büdingen e.V.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

die Ausrufung des Klimanotstandes im Mai diesen Jahres hat Konstanz bundesweit positiv in dieSchlagzeilen gebracht. Im Zusammenhang dazu haben Sie in der Sendung des SWR-Nachtcafésvom 20. September medienwirksame Aussagen getroffen.


Dass der Klimanotstand in Konstanz ausgerufen ist, bedeutet, dass die Stadt in ihrem Handeln dasWohl der Stadt und das der Bürger hinsichtlich unserer aktuellen globalen Lage der Umwelt berücksichtigt. Für die Öffentlichkeit zugängliche Grünflächen sind in deutschen Städten oft eine Rarität. Leider auch in Konstanz. Parks in Zentrumsnähe sind lediglich der Stadtgarten und der kleine Herosé-Park. Dabei sind Grünflächen wichtig für das kulturelle Zusammenleben, unabhängig vonEinkommen und Herkunft und für die Erholung der Bürger einer Stadt. Des Weiteren bedingen größere unversiegelte Flächen eine besseren Stadtluft und fördern den Lebensraum für unzähligeTiere und Lebewesen.

Bereits 1978 hatte sich schon der BUND Konstanz dafür eingesetzt, dass die Stadt Konstanz denBüdingen-Park erwirbt und für die Öffentlichkeit öffnet. Dies wurde leider versäumt, und seit 1987ist die Bebauung in Form einer Hotelanlage vorgesehen und zugelassen.
Dabei sollte ursprünglich der beachtliche Baumbestand von 305 Bäumen größtenteils erhalten bleiben.

Gerade erst wurde die allgemein bekannte existenzielle Bedeutung von Bäumen für unser Klima in einer Studie der ETH Zürich erneut belegt.
In Folge dessen wird die Stadt Radolfzell in den nächsten Jahren 10.000 Bäume pflanzen, um da-mit aktiv gegen die Erderwärmung vorzugehen und nicht nur auf Symbolpolitik setzen! DiesemBeispiel sollte Konstanz, welche als erste Stadt Deutschlands den Klimanotstand ausgerufen hat,folgen. Wir erwarten nun entsprechend, dass konkrete Maßnahmen erfolgen und nicht nur Sym-bolpolitik betrieben wird!

Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es absurd, was demnächst im Büdingen-Park geplant ist.Weitere, für den Hotelbau nicht erforderliche Baumfällungen sind beantragt! Wäre es Investor HJ Buff wirklich ernst mit seinen Beteuerungen, so viel Grün wie möglich erhalten zu wollen, dürften diese Bäume nicht fallen!  

Bitte handeln Sie nun nach dem Gebot der von Ihnen mitgetragenen Resolution zum Klimanotstand und verweigern dem Bauherrn im Büdingen-Park die Fällung weiterer Bäume! Sie, die Stadt Konstanz, sind dem Investor bisher schon sehr weit entgegengekommen:
So darf er höher, größer und über das Baufenster hinaus bauen (z.B. mit dem Außenbad). Außerdem ist der im Bauplan vorgeschriebene öffentliche Zugang quasi nicht existent.

Damit haben Sie unbegreiflicherweise eine Chance vertan, den Park für die Bevölkerung zu öffnen. Etwas, welches seit Jahrzehnten geboten und auch in Aussicht gestellt war!

HJ. Buff hatte in der Gemeinderatssitzung am 22. März 2018 angemerkt, dass „Bäume Verhandlungssache“ seien. Vor dem Hintergrund dieser Aussage fragen wir Sie: WelcheInteressen vertreten Sie in dieser Sache?
Ihre Verwaltung jedenfalls fährt einen klaren Kurs, indem sie den Begehrlichkeiten des Investors in fast allen Punkten nachgibt. Warum lassen Sie das zu?

Vor einigen Jahren haben Sie Ihren Standpunkt revidiert, welche eine Fällung der Pappelallee imTägermoos zur Folge gehabt hätte. Damals hatten Sie die Einsicht, das Schlimmste verhindern zu können und haben dementsprechend gehandelt.

Angesichts der OB-Wahl im kommenden Jahr sind wir sicher, dass auch das Thema Büdingen undder Umgang Ihrer Verwaltung mit dem Entscheidungsprozesse zu Büdingen bei der wählendenBevölkerung eine entscheidende Rolle spielen wird.
Aus diesem Grund möchten wir Sie bitten: Beweisen Sie, Herr Oberbürgermeister, auch in diesemFall Weitsicht, Souveränität und Konsequenz in Ihrer Haltung und zeigen Sie, dass die Ausrufung des Klimanotstandes mehr als nur eine Absichtsbekundungen ist.

Es dürfte in der öffentlichen Wahrnehmung wesentlich besser ankommen, wenn Sie dem einstimmig gefassten Beschluss zum Klimanotstand vom Mai 2019 auch in puncto Büdingen angemesseneTaten folgen lassen und der jetzigen Planung dort Grenzen setzen, wo weiterer unnötiger Kahl-schlag an wertvollem Baumbestand droht.

Sie sind gelernter Forstwirt und Chef der Verwaltung. Sie machen die Vorgaben und entscheiden, wo es lang geht. Da die Dinge schon so weit fortgeschritten sind, und gerichtliche Klärungen in der Hauptsache lange dauern, liegt es momentan alleine an Ihnen, noch Schlimmeres im Büdingen – zum Wohle der gesamten Stadt – zu verhindern!

Herzliche Grüße,

Silvio Krumm, Fridays for Future Konstanz

Karl-Ulrich Schaible, BUND Konstanz

Patrick Pfeiffer, Bürgerpark Büdingen e.V.


NACHTRAG:

Der Brief konnte OB Burchardt nicht persönlich überreicht werden, weil er "unterwegs keine Post annimmt". Sein weiterer Kommentar dazu: "Steht da was Neues drin? Wahrscheinlich nicht."

Am Sonntag, 17.11. antwortet U. Burchardt folgendermaßen:

Antwort auf Offenen Brief

Sehr geehrter Herr Krumm,

sehr geehrter Herr Pfeiffer,

sehr geehrter Herr Schaible,

besten Dank für Ihren Offenen Brief vom 07.11.19, in dem Sie neben demBüdingen-Gelände auch die Themen Klimaschutz und Freiraumplanung ansprechen. Ich teile Ihre Meinung über die große Bedeutung von Grünflächen für eine Stadtgesellschaft. Aus diesem Grund hat die Stadt bereits im Jahr 2006 ein Freiflächenkonzept entwickelt, das inzwischen fortgeschrieben und im April 2019 im Technischen und Umweltausschuss verabschiedet wurde. Bemerkenswert ist die Bilanz der letzten Jahre. So wurden seit 2006 bis heute 32 größere Maßnahmen der Freiraumplanung umgesetzt. Beispielhaft wurde das lange Jahre der Öffentlichkeit nicht zugängliche Gelände am Seerhein vom ehemaligen Gewerbegebiet zur attraktiven Uferpromenade neu entwickelt und die Parklandschaft Herosé der Bevölkerung zur Verfügung gestellt. Auch wurde der Naturraum imBereich Hockgraben durch Renaturierungen erheblich aufgewertet. Weitere Maßnahmen sind u.a. der Palmenhauspark, die Aufwertung des Freizeitareals Schänzle und die Realisierung des „Grünen Bogens“ in Wollmatingen im Rahmen der Sozialen Stadt.

Viele weitere Maßnahmen der Grün- und Freiraumplanung sind in Planung oder stehen vor der Durchführung, wie zum Beispiel der „GrüneRing“ Altstadt-Paradies, die Entwicklung von 20.000 m2 öffentlichem Freiraum auf dem ehemaligen Siemens-Areal oder die aktuell anlaufende Aktion „1.000 Bäume für Konstanz“. Hier geht es übrigens um Bäume in derStadt, also solche, die das Stadtklima direkt und unmittelbar beeinflussen, und nicht um den Forst. Beim Forst ist die Nachpflanzungsrate (Stadtwald und Spitalwald) wesentlich höher. Allein in diesem Jahr wurden rund4.000 Bäume nachgepflanzt, hinzu kommen abertausende Pflanzen durch Naturverjüngung.

Die Resolution zum Klimanotstand hat dem Thema Grün- und Freiflächen und dem von Ihnen angesprochenen übergreifenden Thema Klimaschutz zusätzliche Relevanz verliehen. Es erschließt sich mir nicht, wie Sie zu der Ansicht gelangen, dass wir hier „nur Symbolpolitik“ betreiben würden. Wer die kommunalpolitische Diskussion verfolgt hat, dem ist nicht entgangen, dass wir mit und um den Beschluss zum Klimanotstand bereits ganz konkrete Maßnahmen beschlossen haben, wie zum Beispiel die Solarpflicht für Neubauten, die Ausweisung der Klimarelevanz von Sitzungsvorlagen, die Umstellung des städtischen Fuhrparks, eine Taskforce zur Beschleunigung der Umsetzung von Maßnahmen des Klimaschutzes und vieles mehr. Eine Liste führt aktuell 70 Maßnahmen auf, die geprüft werden oder bereits umgesetzt werden. Mit dem zur Beratung anstehenden Nachtragshaushalt für 2020 verdreifachen wir unser finanzielles Engagement für den Klimaschutz im Ergebnishaushalt gegenüber den Vorjahren.

Und nun zum Büdingen-Gelände. Die Weichen für die heutige Situation auf dem Büdingen-Gelände wurden schon vor Jahrzehnten gestellt, nämlich 1987 mit dem rechtsverbindlichen Bebauungsplan „Seehausen“, zu dessen Erlass die Stadt Konstanz in Zusammenhang mit einem langjährigen Rechtsstreit gezwungen war und dessen Gültigkeit zuletzt durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bestätigt wurde. Voran-gegangene Rechtsstreitigkeiten endeten in einem teuren Prozess, der dieStadt und schließlich die Steuerzahler 3,75 Mio DM Schadensersatz gekostet hat. Im Jahr 2007 beschloss der Gemeinderat unter dem damaligen (grünen) Oberbürgermeister, an dem Bebauungsplan festzuhalten.Über diese Hintergründe und die rechtliche Situation hat der Leiter desBDA, Andreas Napel, in den vergangenen Monaten mehrmals im Rat und in den Ausschüssen berichtet. Auch Ihnen dürften diese Fakten bekanntsein. An der rechtlichen Situation hat sich bis heute nichts geändert. Der Investor hat eine gültige Baugenehmigung, und er kann verlangen, dassBäume, die die Umsetzung dieser Baugenehmigung behindern, entfernt werden dürfen. Das ist im Übrigen auch ein großer Unterschied zur rechtlichen Situation der von Ihnen erwähnten Pappelallee.

Ungeachtet dieser rechtlichen Situation, die für mich genauso Gültigkeit besitzt wie für Sie, habe ich den Investor angeschrieben und dafür geworben, sein geplantes Bauvorhaben als ein ökologisches Vorzeigeprojekt zu realisieren. Als mögliche Inhalte eines ökologischen und innovativen Konzepts habe ich genannt, dass so viele Bäume wie möglich auf diesem sensiblen Areal vor der Fällung bewahrt werden, dass das biologisch wirk-same Kronenvolumen nach Realisierung des Projekts ausgeglichen wird und dass auf dem Areal nach der Bebauung eine höhere Biodiversität herrscht, als davor. Durch die Ankündigung des Investors, das Gebäudeweitestgehend aus Holz herzustellen, Fassaden und Dächer zu großenTeilen zu begrünen sowie Solaranlagen einzuplanen, wäre die Umsetzung dieses Konzepts eine konsequente Weiterentwicklung seiner bisherigen Planung.

Zum Schluss noch eine Bemerkung zu Ihrer Behauptung, dass die Verwaltung „den Begehrlichkeiten des Investors in fast allen Punkten nach-gibt“. Wer bei den Gemeinderatssitzungen war, in denen der Leiter desBaurechts- und Denkmalamtes wiederholt und – wie ich meine – auch sehr verständlich das Baugenehmigungsverfahren erläutert hat, dem ergibt sich ein anderes Bild. Herr Napel hat hier sehr überzeugend dargelegt, wie er sich bemüht, auf der Grundlage der bestehenden rechtlichenGegebenheiten das Beste für die städtebauliche Situation zu bewirken.Und nicht nur ich, sondern auch eine große Zahl der Gemeinderäte sind der Ansicht, dass ihm das gelungen ist.

Ich denke, dass wir uns im Ziel für unsere Stadt einig sind: nämlich für dieLebensqualität unserer Bürgerinnen und Bürger und für eine Verbesserung des Klimaschutzes zu arbeiten. Auf dem Weg dorthin müssen wir bei allen Wünschen, die wir haben und die auch legitim sind, unser Verhalten aber stets an den rechtlichen Eckpunkten orientieren, innerhalb derer wir uns bewegen. Träume sind grenzenlos – und das ist auch gut so. Verwaltungshandeln muss sich aber im Rahmen der Gesetze bewegen – und auch das ist gut so.

Mit besten Grüßen

Uli Burchardt

Oberbürgermeister

Uli Burchardt

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